Krise unlimited – Interview mit Dr. Hannes Schneider

Businessman with umbrella during storm in the sea. Concept of problem and insurance protection

Pandemie, Lockdown, Krieg: Während eine gefahrbringende Situation die andere ablöst, ist die Krise für uns zum Dauerzustand geworden. Wir empfinden Betroffenheit, Ratlosigkeit, Hilflosigkeit, Machtlosigkeit und Fassungslosigkeit. Gleichzeitig müssen wir mit einer neuen Wirklichkeit leben. Dr. Johannes Schneider im Gespräch mit Thomas & Thomas über „Krise unlimited“ in der Episode #033 von Permanent Change.

Machtlosigkeit und Fassungslosigkeit breiten sich aus

In den letzten Jahren und Monaten haben wir existenzbedrohende Situationen am eigenen Leib zu spüren bekommen. Nur ein geringer Anteil der jetzt lebenden Generationen in Deutschland hat Ähnliches aus so geringer Nähe erlebt. Viele erfüllt das mit Machtlosigkeit und Fassungslosigkeit. Was ist das und wozu können wir es gebrauchen? Hannes Schneider erklärt: „Fassungslosigkeit ergreift uns, wenn sich was Heftiges ereignet. Die Wahrnehmung ist nicht dazu bereit das aufzunehmen, was gerade los ist.“ Die meisten kennen das Gefühl vom 24. Februar dieses Jahres vor dem Fernseher: Wir wollen es im ersten Moment nicht wahrhaben. Wir sehen unser Leben, unsere Freiheit, unsere Ordnung und unseren Sinn bedroht.

Manche Menschen, die den zweiten Weltkrieg erlebt haben, werden jetzt wieder neu belastet. „Wer die letzten Erlebnisse nicht verarbeitet hat, leidet jetzt wieder“, sagt Schneider. „Ansonsten tritt das Gefühl ein: Das kenne ich. Ich weiß, wie ich damit umgehen kann.“ Und genau darin liegt auch der Zweck der ersten Reaktion auf ein Ereignis wie einen Kriegsausbruch: Sie markieren bedrohliche Erfahrungen, mit denen wir noch nicht umzugehen wissen.

Krisen verlangen Entscheidungen

In der aktuellen Folge ist es Hannes Schneider, der das Wort der Stunde für uns definiert: Krise ist aus dem griechischen „krisis“ entlehnt und bedeutet soviel wie Entscheidung. „Sehr passend“, sagt der Arzt, Psychologe und Transaktionsanalytiker „denn sobald ich eine Entscheidung treffe, endet die Krise für mich.“ Wie bitte? Können europäische Kriege und globale Viren durch persönliche Entscheidungen aufhören zu wüten? „Die äußeren Umstände sind für uns alle die gleichen. Die wenigsten können solche globalen Gegebenheiten beeinflussen. Aber ich kann meine eigene Haltung dazu und mein Handeln selbst bestimmen.“ Dieser bewusste Umgang mit der eigenen Reaktion ist der nächste sinnvolle Schritt nach einem Gefühl der Fassungslosigkeit. Sich mit allen Sinnen darauf einlassen, offen sein und das anfassen, was gerade passiert. „Wenn ich offen bin, resultiert daraus ein veränderter Bezugsrahmen. Ich kann aus dieser Situation Erkenntnisse, Einstellungen und Werte verändern. Wir sind nur in der Lage etwas neu zu fassen, wenn wir uns drauf einlassen“, sagt Schneider.

Bewusstes Handeln oder Retter-Rolle?

Die Alternative, so Thomas Lorenzen aus Hamburg, ist der direkte Sprung zum Drama-Dreieck. Das besteht aus den Rollen der Retter, Opfer und Verfolger. Nicht alle helfenden Handlungen – zum Beispiel bei der Unterstützung von Flüchtenden aus der Ukraine – sind durch die eigenen Werte motiviert. Auch das Einnehmen der Retter-Rolle kann Hilfe ähneln, ist jedoch nicht nachhaltig. Thomas Lorenzen bezeichnet das als passives Handeln, als Agitieren.

„Besser also“, so Hannes Schneider „durch den ganzen Prozess der Fassungslosigkeit und des Wahrnehmens von vorne bis hinten durchzugehen. Am Ende kann man bewusst entscheiden, was man tun oder lassen möchte.“

Der Coach und Berater schlägt vor:

  • Nicht ständig vor dem Fernseher sitzen. Entscheide dich bewusst, wann und wo du dir Informationen holst. Nutze verschiedene Quellen und begrenze den Nachrichtenkonsum zeitlich.
  • Ziehe dich zurück und beobachte bewusst: Was ist hier eigentlich los? Begebe dich in die Rolle eines „Reporters“, der darüber berichtet. Das gibt dir einen bestimmten Abstand. Damit kannst du deine Gedanken eher in Worte fassen.
  • Nimm dir Zeit für Gespräche mit Menschen, die dir guttun. Negative Gefühle zu bestärken ist nicht konstruktiv.

Auch im Coaching oder bei der psychologischen Beratung ist Unterstützung zu holen. Oder wie Thomas Wehrs hervorhebt, „mit guten Freunden und einer Flasche Rotwein“, kommst du in deinen Betrachtungen auch oft weiter. Wünschst du dir einen professionellen Gesprächspartner, stehen wir gern für ein Erstgespräch zur Verfügung. Die theoretischen Unterlagen, auf die in der Podcast-Folge verwiesen wird, findest du HIER.

Join the discussion

Subscribe