Haben sich Konflikte verändert? INTERVIEW mit Dr. Sascha Weigel

Die beiden Köpfe hinter dem Podcast Permanent Change Thomas Lorenzen und Thomas Wehrs beschäftigen sich tagtäglich mit dem ständigen Wandel in Organisationen. Auch Konfliktkultur unterliegt der stetigen Veränderung, haben die beiden in ihren Praxen als Coaches, Berater und Mediatoren festgestellt. In der aktuellen Episode gehen sie mit Dr. Sascha Weigel ins Gespräch, der das Thema sowohl praktisch erlebt als auch theoretisch untersucht hat.

Konflikte im Wandel

Die Zeiten, zu der die meisten Konflikte – seien es nachbarschaftliche Streitigkeiten oder Auseinandersetzungen bei der Arbeit – vor Gericht ausgetragen wurden, sind vorbei. Woran liegt das? Und was bedeutet das für das Miteinander in einer modernen Gesellschaft? Damit hat sich Dr. Sascha Weigel als Jurist und als Mediator beschäftigt. Zunächst studierte er Jura. Dann folgten Ausbildungen innerhalb der Mediation und Transaktionsanalyse. Seit 10 Jahren arbeitet Dr. Weigel selbstständig mit den Themen Konfliktmanagement und Mediation. Er leitet das Institut Inkovema in Leipzig. Sascha Weigels beruflicher Werdegang spiegelt in gewisser Weise auch den Wandel von Konflikten wider: In einer Jahrzehnte andauernden Bewegung wanderten zahlreiche Konflikte von staatlichen Instanzen zu außergerichtlichen Einigungen. Viele davon werden in Mediationen gelöst.

Wie Mediation zur Konfliktlösung beiträgt

Weigel erklärt: „Mediation ist ein Verfahren, in dem ein Konflikt bearbeitet wird. Die Konfliktbeteiligten ziehen eine neutrale, allparteiliche Person hinzu. Das ist wie bei einem Richter oder Schlichter. Ein Mediator macht aber keine Vorschläge und entscheidet nicht, was richtig und falsch ist“. Wer eine Mediation beginnt, hat sich von Anfang entschlossen, nicht nur über den Konflikt zu reden, sondern mit diesem Verfahren eine Entscheidung herbeizuführen. Seit 2011 ist EU-weit eine Richtlinie zur Mediation umgesetzt, die unter anderem die Vollstreckbarkeit von deren Vereinbarungen regelt. Das macht die Mediation als Verfahren verbindlicher. Ihre Methoden können auch in anderen Zusammenhängen angewendet werden, zum Beispiel bei der Teamentwicklung. „Mediation ist an sich ja keine innovative Idee, sondern uralt. Vor der Verrechtlichung von Staaten gab es schon Mediation. Heute meinen wir mit Mediation ihre moderne Variante“, sagt Weigel. Haben sich in all dieser Zeit die Konfliktthemen verändert? – wollen Thomas und Thomas wissen.

Sachse Weigelt antwortet mit einem eindeutigen Ja. „Konflikte sind heute beispielsweise Ausdruck von unzulänglicher Kommunikation. Logischerweise führt auch die Konfliktaustragung dazu, dass wir mehr kommunizieren und verbalisieren. Auch der psychologische Selbstoptimierungstrend trägt dazu bei, dass wir uns selbst ermächtigen und beispielsweise Kommunikation erlernen“, führt der Jurist, Mediator und Transaktionsanalytiker aus. Deshalb lernen mehr Menschen besser, Konfliktpotenziale anzusprechen und sie nicht eskalieren zu lassen. Gelegentlich hört Weigel die Aussage: „Deswegen haben wir doch früher auch kein Meeting gemacht!“ Heute reden wir darüber und klären einen aufkeimenden Konflikt in einem frühen Stadium – in einem Meeting zum Beispiel. „Während es früher sozial anerkannt wurde, vor Gericht zu gehen und für sein Recht zu streiten, gilt heute ein Erwartungsdruck an erwachsene Menschen Konflikte anzusprechen“, erzählt Weigel.

Das Leben in der Pandemie und Konflikte

Wenn sich monatelang ganze Berufsgruppen im Home Office isolieren, kann sich das auch auf Konflikte auswirken. Thomas Lorenzen beobachtet seitdem häufiger Situationen, in denen Konflikte erst mal nicht besprochen werden und dann eskalieren, während Thomas Wehrs eine andere Wertigkeit von Konflikten erkennt. Beides trifft zu, bestätigt Weigel. „Manche Menschen werden aggressiver und bekommen eine kürzere Zündschnur. Aber die Pandemie hat auch zu Relativierungen geführt. Wir haben es alle nicht so einfach miteinander. Das macht uns auch solidarischer und toleranter. Wir müssen zusammenhalten. Wir sehen unsere Beziehungen, unsere Familie und Arbeitskollegen in einer Krise anders.“

Bei der Arbeit mit Mediation und Konfliktmanagement haben die drei Fachleute auch gemerkt: Als die Leute im Sommer aus dem Home Office in die Betriebe gekommen sind, nahmen die Konflikte sofort zu. Konflikte austragen war online nicht so wirkungsvoll. Das habe auch dazu geführt, dass einige gegangen sind. Wenn solche Kündigungen dann mit anderen Krisen wie dem aktuellen Fachkräftemangel zusammenfallen, wird es für Unternehmen schwer. Auch hier ist Konfliktbearbeitung angesagt: Wie gehe ich mit neuen, fremden Kollegen um? Wie kann ich alle unter ein Dach bringen und die Unternehmenskultur erhalten? Mediation ist daher auch in Unternehmen und Organisationen immer wieder und aus unterschiedlichen Gründen ein relevantes Verfahren.

Kommunikationskompetenzen auf den Lehrplan

Die Veränderung von Konfliktthemen setzt sich fort. Gesellschaftlicher und politischer Wandel bringt neue Themen auf. Die werden in ihrem jeweiligen Kontext verortet und führen auf allen Ebenen zu Konflikten. Auch Entscheidungen in Bezug auf die Pandemie sind dafür gute Beispiele. Aus diesem Grund gehören nach Meinung von Thomas, Thomas und Sascha Konfliktlösungs- und Kommunikationskompetenzen so früh wie möglich in die Lehrpläne an Schulen. Damit werden wir Konflikte privat und beruflich immer leichter lösen können und den bestehenden Trend fortsetzen. Auch in Organisationen wird Konfliktlösungskompetenz immer wichtiger. Unter anderem Neubesetzungen, Teamarbeit, Einwanderung und Integration können damit besser gelingen.

Wer der spannenden Diskussion zwischen den drei Fachmännern folgen möchte, hört in der Podcast Episode mehr. Mit weiteren Aspekten der Mediation beschäftigt sich Sascha Weigel in seinem eigenen Blog. Auf Thomas & Thomas‘ Webseite zu Permanent Change gibt es im Blog Lektüre zu den Themen im Podcast. In der Academy erwartet Euch eine Übersicht der anstehenden Fortbildungsthemen. Hört beim nächsten Mal wieder rein, wenn es darum geht, ob Kommunikation nicht überbewertet ist. 

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