Zeitenwende, das Un-Wort des Jahres 2022?

Die Gesellschaft für deutsche Sprache e.V. (GfdS) hat den Begriff „Zeitenwende“ zum Wort des Jahres erkoren. Was das bei Thomas & Thomas auslöst, wie ihre Haltung zur emotionalen Wirkung des Wortes ist und wie sie eine Zeitenwende sehen, debattieren sie in der aktuellen Folge des Permanent Change Podcasts.

Die Zeitenwende: Ein Begriff für das Jahr 2022?

Wort des Jahres oder eher Unwort des Jahres? Die „Zeitenwende“ löst bei Thomas & Thomas ganz verschiedene Reaktionen aus. Die GfdS nennet Olaf Scholz‘ prominente Erwähnung des Wortes im Zusammenhang mit dem Angriffskrieg auf die Ukraine als einen der Hintergründe für ihre Wahl. „In diesem zweiten Sinne […] jeden beliebigen Übergangs in eine neue Ära“ habe der Kanzler den Begriff verwendet. Ob Olaf Scholz für seine Rede wohl die Bedeutung des Begriffs nachgeschlagen hat? Bei den Podcast-Moderatoren Thomas Wehrs und Thomas Lorenzen jedenfalls trifft die Wortwahl auf Unverständnis und Uneinigkeit. Denn die ursprüngliche Bedeutung des Begriffs gehe auf den Beginn der christlichen Zeitrechnung zurück, so die GfdS. Und damit können sich die politischen Ereignisse in Europa im Jahre 2022 dann doch nicht messen, oder?

Fragwürdige Verwendung eines großen Wortes

Um ihrem Unwohlsein der Wortwahl „Zeitenwende“ näher zu kommen, ziehen die beiden Transaktionsanalytiker Thomas & Thomas einige Definitionen und Einordnungen heran: Eine Zeitenwende beschreibe ein Ereignis oder Periode, die einen bedeutenden Wandel in einer Gesellschaft, Kultur oder der politischen Ordnung markiert. Nach Ansicht des Berliner Beraters Thomas Wehrs können wir heute noch gar nicht beurteilen oder ausrufen, dass die aktuellen Geschehnisse eine Zeitenwende bedeuten. „Wir müssen einen Perspektivwechsel und Veränderungen ergreifen, ja. Aber gleich eine Zeitenwende?“, fragt der Coach und Podcast-Gastgeber.

Thomas Lorenzen fährt fort: „Eine neue Ära wird durch gravierende Ereignisse, bedeutende Entdeckungen / Erfindungen oder dramatische Entwicklungen eingeleitet.“ Das kann man wohl von unserer Gegenwart sagen, stimmen beide zu. „Aber das trifft auch auf andere historische Situaionen zu und da sprach keiner von Zeitenwende“, gibt Wehrs zu bedenken. Außerdem seien die Auswirkungen des Ukraine-Krieges vor allem in Europa zu spüren, von globaler Umwälzung kann bisher keine Rede sein.

Zeitenwende oder doch eher Wendezeit?

Unter welchen Umständen wäre der bedeutungsschwangere Term der Zeitenwende denn angebracht? Unsere Podcast-Gastgeber denken bei dem Begriff eher an globalere, weitreichendere Krisen mit nachhaltigen Auswirkungen. „Wir können Krisen nicht isoliert betrachten“, meint Thomas Lorenzen und bezieht sich auf Klimwandel, Versorgungskrisen, Verschwinden der Artenvielfalt und all die schwerwiegenden aktuellen Herausforderungen, die gleichzeitig und allumfassend stattfinden. Vielleicht lässt sich unsere Zeit mit all ihren Schwierigkeiten einmal als Zeitenwende bezeichnen. Aber können wir das jetzt schon sagen?

 

Thomas & Thomas schlussfolgern gemeinsam:

  • Wir dürfen die verschiedenen wichtigen Themen nicht getrennt sehen. Wir sind alle Teil des großen Ganzen.  Wenn ein Teil des Systems dysfunktional wird, reagiert das gesamte System darauf.
  • Auch wenn Thomas & Thomas der Meinung sind, dass das Wort Zeitenwende nicht im richtigen Kontext verwendet wird, so verdient es auch nicht als Unwort des Jahres gekürt zu werden. Schließlich gibt es den beiden diskussionsfreudigen Coaches einen Anlass, sich daran zu reiben.
  • Die Diskussion zum Wort ermöglicht die Stellungnahme zum Inhalt. Wie zeige ich meine Haltung in meinen Handlungen? Wie unterstütze ich das große Bild?
  • Wenn wir zu einer gemeinsamen übergeordneten Sinndefiniton kommen wollen, können wir die Wirheit und bedingungslos positive Bezogenheit in der co-kreativen Transaktionsanalyse nutzen.
  • Jeder hat eine Verantwortlichkeit.

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