Bedingungslos positive Bezogenheit in der Führungsetage? Für Transaktionsanalytikerin und Unternehmensberaterin Nicole Lenner ist das ein äußerst erstrebenswerter Zustand. Was sie mit diesem Begriff meint und welche Herausforderung es sein kann, ihn zu erreichen, verrät sie Thomas & Thomas im Interview. Lausche der aktuellen Folge von Permanent Change und mach dich auf eine bewegende halbe Stunde gefasst.
Was ist bedingungslos positive Bezogenheit
Wenn die in Deutschland und England lehrende und praktizierende Transaktionsanalytikerin Nicole Lenner von co-kreativer TA spricht, hört man ihr die Begeisterung an. Ihren Fachkollegen und Podcast-Gastgeber Thomas Wehrs und Thomas Lorenzen beschreibt sie den Hintergrund der co-kreativen TA. Das Konzept hat ihren Ausgangspunkt in der Transaktionsanalyse und wird in der co-kreativen Dimension auf die Dynamiken in einer Gruppe erweitert. Nicole spricht von vier Prinzipien, mit denen die co-kreative TA charakterisiert wird:
- Eine Wir-heit, eine Bewusstheit fürs Wir-Feld, das ein Kraftfeld ist. Hier müssen wir die Dinge nicht alleine lösen, sondern bekommen Hilfe von den anderen im gleichen Raum
- Eine geteilte, nicht gleiche Verantwortung. Jeder leistet einen Beitrag, ohne eine ebenmäßige Verteilung zu erwarten.
- Eine Gegenwartszentriertheit. Die Bewusstheit im Hier und Jetzt. Das, was jetzt gerade im Raum passiert, können wir für eine Entwicklung nutzen
- Eine bedingungslose positive Zuwendung oder Bezogenheit. Sowohl nach innen als auch auf die Begegnung mit dem Gegenüber gerichtet
„Bei der bedingungslos positiven Bezogenheit“, führt Nicole Lenner weiter aus, „geht es um das Einzigartige, das nur entstehen kann, weil genau wir gerade hier sind.” Eins plus eins macht drei, nennt Thomas Wehrs dieses Phänomen. Das gilt auch für ein Interview im Podcast, bei dem einer der Teilnehmenden Anspannung verspüren kann. Mit bedingungslos positiver Bezogenheit lassen sich auch solche Gefühle respektvoll ansprechen, teilen und womöglich entspannen.
Produktivität unter Alpha-Tieren erzeugen
Wie funktioniert ein solcher Umgang miteinander in hierarchisch hoch angesiedelten Führungskreisen? Oft gar nicht, erzählt Nicole Lenner. Sie berichtet von einer Aufgabe, bei der sie Zeuge werden durfte, wie bedingungslos positive Bezogenheit zwischen einer Gruppe ausgesprochener „Alpha-Tiere“ erwuchs. Das Team, das die Beraterin bei seiner Entwicklung folgte, bestand aus einem Bereichsleiter und neun Abteilungsleitern, die seit drei Jahren gut zusammenarbeiteten. Dieser Führungskreis war direkt unter dem Vorstand eines Wirtschaftsunternehmens aufgehängt. Hier trafen zehn kompetente, zielstrebige und konkurrenzbewusste Personen aufeinander. Ihre Herausforderung bestand darin, dass sie sich in Besprechungen oft in endlose Diskussionen verstrickten und damit unproduktiv Zeit vergeudeten. Sie waren interessiert daran herauszufinden, was dort eigentlich passierte.
Eines der Mittel, das Nicole Lenner für die Analyse der Situation anwendete, war die Präsentation einer „Gebrauchsanweisung“ für sich selbst. Ein Gruppenmitglied gab einem der Präsentierenden ein Feedback: „Mich irritiert, dass Du während der Präsentation ständig auf den Boden guckst. Was ist da los?“ Dieser simple, zugewandte, liebevoll gemeinte Satz bewegte den Präsentierenden zu der von Tränen begleiteten Aussage: „Ich bin max überlastet und hab das Gefühl, ich kriege in diesem Kreis keine Unterstützung.” Solche ein Satz war in dieser Gruppe noch nie gefallen. „Im Raum entstand Stille, er war sozusagen von positiver Bezogenheit getränkt”, erzählt Nicole Lenner.
Bedingungslos positive Bezogenheit bereitet den Boden für bessere Zusammenarbeit
Ein Paradebeispiel für co-kreative Transaktionen. „Dort entstand Nähe, man spürte die nicht gleiche Verantwortung. Meine Aufgabe war es, den Raum zu halten. Denn obwohl das ein Wow-Moment war, hat das dem Führungskreis in Bezug auf ihre Ziele noch nicht weitergebracht“, so Workshop-Leiterin Nicole Lenner. Dieser Moment hat jedoch den Boden dafür bereitet, dass die Gruppenmitglieder ihre Konkurrenz benennen konnten und ihre Zielkonflikte erkannten. Sie verstehen besser, dass Konflikte vor dem Hintergrund unterschiedlicher Prioritäten entstehen. Es ist ein Verständnis dafür entstanden, dass sie für den gemeinsamen Erfolg auch konkurrierende Themen spielen und sich streiten müssen. Heute sind die Meetings produktiver, beobachtet Nicole bei Supervisionen. Sie brauchen weniger Zeit, um aus ihrer Schleife rauszukommen, weil sie die Dynamik dahinter kennen und einander näher sind.
Alltägliche Nähe mit der co-kreativen Transaktionsanalyse
Das letzte Wort im Interview mit Thomas Lorenzen und Thomas Wehrs bekommt Nicole Lenner. Sie gibt den Hörer*innen mit auf den Weg: „Es lohnt sich, eigene Abwehrmechanismen zu hinterfragen und mutig abzulegen. Das ist nicht einfach, aber lohnenswert.”
Thomas & Thomas greifen gern auch dir mit den Werkzeugen der co-kreativen Transaktionsanalyse unter die Arme. Sie beraten im Konfliktfall, moderieren und unterstützen bei der persönlichen Weiterentwicklung. Außerdem hörst du sie jede zweite Woche zu einem neuen Thema im Bereich Transaktionsanalyse auf Permanent Change.
