Der Kollege jammert nur über den Chef. Seine Freundin gibt ständig nach und ihm recht. Der Chef schimpft. Was ist hier los? In vielen zwischenmenschlichen Situationen passiert das, was wir als psychologische Spiele bezeichnen. Dabei verharmlost der Name die Dynamik: Dysfunktionale Beziehungen spielen sich auf der Bühne psychologischer Spiele, dem Drama-Dreieck ab. Wie du das erkennst und was du dagegen tun kannst, verraten wir in der Podcast-Episode #009
Um jeden Preis gesehen werden wollen
Thomas Wehrs zitiert in der Podcast-Episode #009 aus dem Buch „Ressourcenorientierte Transaktionsanalyse“ (V&R Verlage) ein Beispiel von einem Coachee, der auf einen Coaching-Termin am Wochenende bestand, um eine dringende persönliche Situation zu lösen. Der Coach räumte sie ihm auf Kosten privater Termine ein. Während der Session konnte der Coachee keine Lösung finden und blockte alle Angebote seines Coaches ab. Schließlich brach es extrem missmutig aus ihm heraus, dass sein Coach – genau wie alle anderen – ihm nicht helfen könne und er diese Sitzung nutzlos fand. In diesem Moment wird dem Coach klar: Er befindet sich mitten in einem psychologischen Spiel, an dem er selbst teilnimmt.
Warum spielen wir psychologische Spiele? Selten absichtlich und bewusst, geraten wir gelegentlich so sehr in ein Defizit, das wir ausgleichen wollen. Wir fühlen uns nicht wahrgenommen oder gesehen und damit geht es uns nicht gut. In einer dysfunktionalen Beziehung sind wir nicht in der Lage, ein vertrautes Gespräch mit Nähe und Intimität zu führen. Denn von anderen gesehen zu werden, ist ein psychologisches Grundbedürfnis. Aus diesem Gefühl heraus entsteht manchmal das Verhalten, das wir als psychologische Spiele bezeichnen. Die lassen sich allein nicht spielen. Deshalb kann es nur gemeinsam mit einem oder mehreren anderen dazu kommen. Aus Sicht der Transaktionsanalyse sehen die Spielregeln so aus: Die „Spielteilnehmer“ nehmen eine der Rollen des sogenannten Drama-Dreiecks ein und wechseln diese. Einerseits ergreift jeder von uns häufig intuitiv die ihm oder ihr bestgelegene Rolle. Andererseits verursacht ein unvorhergesehener Rollenwechsel überraschende, enttäuschende, dramatische Situationen bis hin zum – manchmal unerklärlichen – Konflikt.
Während Thomas Wehrs im oben beschriebenen Beispiel bei jeder Bitte seines Coachees zum Retter wird, der ihm Hilfe und Lösungen anbietet, stellt sich sein Coachee anfangs als Opfer dar. Als ihm all die angebotene Rettung nicht weiterhelfen will, wird er zum Verfolger, der seine Umgebung – inklusive Coach Thomas – dafür verantwortlich macht, dass es ihm schlecht geht. Damit tut sich der Coachee selbst keinen Gefallen. Doch ohne Retter Thomas kann es soweit nicht kommen.
Vom Drama-Dreieck zum Gewinner-Dreieck
Als Coach kennt Thomas Wehrs das Drama-Dreieck nur zu gut und findet Auswege. Das Bewusstsein über die Rollenverteilung im psychologischen Spiel ist da der erste Schritt. „In der Transaktionsanalyse verwenden wir das OK-OK-Dreieck bzw. Gewinnerdreieck“, erklärt Coaching-Kollege Thomas Lorenzen. Dieses Gegenstück zum Drama-Dreieck bestehe aus dem unterstützenden Helfer, dem Konfrontierer / Verhandler und dem Hilfesuchenden. Damit ist es bestens zum Ausstieg aus dem psychologischen Spiel geeignet. Seine Werkzeuge helfen dabei, den anderen darauf aufmerksam zu machen, was sich gerade abspielt. Außerdem kann es dich in eine Position bringen, die wertfrei und den anderen gegenüber gleichwertig ist.
Psychologische Spiele vermeiden und bewältigen
„Oft erlebe ich psychologische Spiele, wenn keine Führung vorhanden ist – durch Führungskräfte oder einen selbst“, erzählt Thomas Wehrs. Was also tun gegen psychologische Spiele? Thomas und Thomas raten:
- Eine Feedbackkultur pflegen, die von vornherein die Anfälligkeit für psychologische Spiele verringert
- Sich bewusst machen, dass solche Spiele oft deshalb gespielt werden, weil bestimmte psychologische Grundbedürfnisse bei dem anderen nicht erfüllt sind
- Mit dem Gewinnerdreieck die Gleichwertigkeit zwischen den Gesprächspartnern wiederherstellen
Was kannst du konkret tun, wenn du dich in einer Situation wiederfindest, in der dein Gegenüber zum psychologischen Spiel ansetzt? Die Coaches empfehlen: „Stelle kurze Fragen zur Klärung wie Wie kommst du darauf? oder Inwiefern…?“ Das fordert den anderen dazu auf, sich seiner Äußerungen und Gefühle zu stellen. Mache dir außerdem klar, dass beide Positionen gleichwertig sind. Damit hilfst du dir selbst, nicht am Spiel teilzunehmen, indem du intuitiv reagierst. Überlege auch, ob du eine Rolle aus dem Gewinner-Dreieck übernehmen möchtest. Kann ich das gerade? Möchte ich unterstützender Helfer sein? Kann ich meinem Gegenüber anbieten, morgen zu helfen und nicht heute – etwa bei der Erarbeitung dringender Unterlagen? So behältst du deine eigene Position und Ressourcen im Blick, während du gleichzeitig aus dem psychologischen Spiel aussteigst. Damit gibst du dir und deinem Gesprächspartner eine Chance auf ein besseres Miteinander.
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