‚Lass uns eine Pause machen!‘ – Wenn es in Konflikten hakt | Im Gespräch mit Mike Breitbart

Im Magen zieht’s, am Auge zuckt’s – wenn ein Konflikt droht, spürt es unser Körper oft schneller als der Kopf es begreift. Häufig ziehen Konflikte auf, wenn sich Menschen auf sogenannte psychologische Spiele einlassen. In unserer aktuellen Folge diskutieren Permanent Change Gastgeber Thomas & Thomas mit ihrem TA-Kollegen Mike Breitbart über das komische Gefühl im Bauch und den Weg aus dem Spiel.

Transaktionsanalytiker mit einem besonderen Gespür

Wenn Thomas & Thomas auf Tagungen ihren Freund und TA-Kollegen Mike Breitbart treffen, fällt ihnen seine Achtsamkeit auf. „Du nimmst bestimmte Spieleinladungen nicht an. Du führst dann eher die Kommunikation auf einer anderen Ebene fort“, hat Thomas Wehrs beobachtet. Das macht Mike Breitbart in seinen Augen zum idealen Interviewpartner im Podcast Permanent Change. Mike ist Transaktionsanalytiker, arbeitet im Bereich Erwachsenenbildung und beschäftigt sich bei einem kirchlichen Bildungsträger vor allem mit „Train the Trainer“. Das heißt, er rüstet Menschen mit Fachexpertise dafür, Erwachsene in ihrem Bereich aus- und weiterzubilden. Und für psychologische Spiele hat er offenbar ein besonders feines Gespür. „Wir Menschen nehmen in Gesprächen bestimmte Rollen ein. Das können Opfer, RetterIn oder VerfolgerIn sein. Dabei entstehen oft dysfunktionale Dynamiken. Diese nennt man psychologische Spiele“, definiert Breitbart.

Warum spielen wir psychologische Spiele?

Soweit die Theorie. Doch wie erkennen wir psychologische Spiele, wenn sie vor unseren Augen ablaufen? „Spiele fühlen sich meist merkwürdig oder in der Kommunikation überraschend an“, sagt Lorenzen. Breitbart ergänzt: „Es gibt häufig ein Moment der Irritation, ein nicht so gutes Gefühl und zum Schluss Pay-Off, also die Auszahlung.“ Dabei verweist der Transaktionsanalytiker auf die Schriften des Gründers der Transaktionsanalyse, Eric Berne. Außerdem spüren wir psychologische Spiele auch körperlich: ein Ziehen in der Magengegend könnte ein sogenannter somatischer Marker sein, der uns frühzeitig anzeigt, was hier passiert.

Wie entstehen solche Dynamiken? Das lässt sich mit den Konzepten der Transaktionsanalyse erklären. „Wenn im Gespräch die ‚Ich bin ok / du bist ok‘-Haltung nicht vorhanden ist, dann ist das häufig ein Einstieg in so eine psychologische Spielsituation.“ Etwa so: „Eine Kollegin gibt mir ein Paper mit Fehlern. Mit einer beiderseitigen OK/OK-Haltung kann ich diese Themen besprechen und eine Einigung erzielen. Fehlt sie, komme ich womöglich in einen Konflikt“, erläutert Breitbart.

Wenn der Retter dem Opfer zu Hilfe eilt

Dabei laufen psychologische Spiele selten bewusst ab, betont Mike Breitbart. Kollege Thomas Lorenzen steuert ein weiteres Beispiel bei: „Ein Kollege stöhnt im Büro, dass er immer so viel zu tun habe und seine Arbeit nicht mehr schaffe. Wer hier ungefragt als ‚Retter‘ zu Hilfe eilt, startet womöglich mit den besten Absichten ein psychologisches Spiel, der den Stöhnenden in die Opferrolle versetzt und sich selbst in die des Retters. Das Drama-Dreieck nimmt seinen Lauf.“

Das Drama-Dreieck besteht aus eben diesen Rollen des Opfers, RetterIn und VerfolgerIn. In der Kommunikation nehmen wir eine dieser Rollen ein und wechseln sie zwischendurch auch. Das psychologische Spiel ist in vollem Gange. „Wenn sich im Gespräch die innere Haltung ändert, wir selbst oder unser Gegenüber verfolgerisch agiert, wir Vorwürfe machen oder gemacht bekommen – dann merken wir: Hier läuft irgendwas schräg, es hakt“, schlussfolgert Lorenzen.

Ersatzgefühle und Rabattmarken

Auch die Unterdrückung unserer echten Gefühle kann mit psychologischen Spielen enden. Breitbart erklärt: „Ich habe mich schon mal über diese Kollegin geärgert und es runtergeschluckt, weil ich das ‚echte‘ Gefühl, den Ärger, nicht zulassen konnte oder wollte. Deshalb hab ich damals gelächelt. Das ist das Ersatzgefühl. Dabei habe ich sogenannte Rabattmarken gesammelt. Heute kommt neuer Ärger und die Kollegin kriegt alles übergekübelt, was ich in der letzten Zeit aufgestaut habe. Das heißt, ich löse die Rabattmarken ein und zahle aus.“ Die arme Kollegin hingegen weiß gar nicht, wie ihr geschieht. Auch hier ist das psychologische Spiel in vollem Gange. Breitbart setzt fort: „Das kann ich auch mit Trauer oder Angst machen. Konflikte haben etwas mit unserem persönlichen Lebensskript zu tun, also den Mustern, die ich gelernt habe.“

Psychologische Spiele abwenden

Eine Führungskraft kann allerdings schwerlich die Lebensskripte ihrer Mitarbeitenden bemühen, wenn ein Konflikt droht. Was kann ich also in der Führungsrolle tun?

„Am besten für einen Moment die Vogelperspektive einnehmen. Der Toilettengang ist ja sozial erlaubt. Ich kann mich also kurz entschuldigen und nachdenken: was ist hier eigentlich los?“ rät Transaktionsanalytiker Breitbart. Schön und gut, sagt TA-Kollege Wehrs. Und nach der Toilette?

„Dann gern mal im Gespräch die Metaperspektive einnehmen: ‚Hier ist gerade etwas seltsam gelaufen. Können wir mal von oben drauf gucken?‘ oder ‚Ich habe gemerkt, hier hakt‘s. Ich würde gerne zum Anfangspunkt zurückgehen.‘“

Wenn wir bemerken, dass sich der andere gerade auf eine kritische Situation zubewegt, müssen wir immer bedenken: Zunächst ist alles eine Hypothese. Wir können der anderen unser eigenes Denken anbieten. Nicht zum Retter werden, sondern zur Problemlöserin. Die andere Person in die Lage versetzen, um Unterstützung bitten zu dürfen und sie ihr nicht überzustülpen.

Wo Menschen sind, gibt es psychologische Spiele

Auch wenn Führungskräfte die OK/OK-Haltung ihren Mitarbeitenden gegenüber üben, lassen sich psychologische Spiele nicht ganz vermeiden. Denn dazu gehören immer zwei oder gar mehr. „Was hilft, ist eine Kultur geprägt von Wertschätzung und Okayness. Schön wäre eine Metaebene in Teams, damit man über die Art und Weise miteinander zu kommunizieren sprechen kann“, sagt Breitbart. Er schlägt vor, Drama-Dreieck und Gewinner-Dreieck aufzuzeichnen, Begriffe für Dynamiken anzuieten und eine Sensibilität dafür zu schulen. „Nicht zuletzt haben auch Zuschauer die Power, Spiele entweder laufen zu lassen, sodass sie zum Drama werden. Oder sie gehen aktiv rein und helfen den Personen, einen positiven Verlauf zu nehmen“, fügt Breitbart hinzu.

Unterstützung beim Einüben der OK/OK-Haltung oder dem Erkennen von psychologischen Spielen gibt es bei Thomas Wehrs in Berlin und Thomas Lorenzen in Hamburg. Du erreichst sie über ihre Berate Mich! App oder auf der Homepage.

Tipps zum Weiterlesen und -hören:

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